Dienstag, 30. Juni 2009 / Mardi, 30 juin 2009
Parallelvorträge / Conférence plénières 16.00 – 17.15
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Die Fachdidaktiken – im Zentrum der Unterrichtsforschung und –entwicklung
Schneuwly, Bernard F1
Université de Genève
Mein Vortrag gliedert sich in drei Teile, die sich auch aus dem Titel ergeben. Diese
Teile bilden zugleich drei historische und institutionnelle Schichten, die sich gegen-
seitig bedingen.
1. Fach
Ich gehe ausdrücklich vom Schulfach aus und nicht vom Fach als Wissenschaft. Die
Schulform im modernen Sinn, seit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht und
staatlicher Kontrolle (Hofstetter), ist geprägt durch das systematische Entstehen und
die Entwicklung von Schulfächern, in denen sich die Kultur der Schule entfaltet und
ausdrückt (Chervel; Goodson). Die Fächer stellen historisch entstandene Konstrukte
dar, die das Vermitteln von Wissen und Können als professionelle Tätigkeit verkör-
pern, über Lehrergenerationen tradieren und an die ständig wechselnden Bedingun-
gen anpassen. Schulfächer konstituieren sich in je nach Schulfach kleinerer und
grösserer, ja völliger Autonomie zu Wissenschaftsfächern. Sie stellen zugleich auch
ständig Kompromisse dar zwischen die Schule konstituierenden widersprüchlichen
Anforderungen von Bildung für alle, wie es der grosse Didaktiker Comenius utopisch
formulierte, und von „distinction“, Unterscheidung (Bourdieu).
2. Didaktik
Die Didaktik hat ihren modernen Ursprung zum Beispiel in der Bildungsutopie eines
Comenius. Didaktik befasst sich mit Unterrichten, Lernen und Wissen, wobei Wissen
darin besteht, mit dem Geist (der Intelligenz), der Hand oder der Zunge/Sprache et-
was zu bilden; es gibt dabei, immer Coménius zufolge, zwei Arten des Wissens (sci-
re), nämlich Wissen und Können. Didaktik entwickelt sich immer als Praxis des Un-
terrichtens von Wissen in Hinsicht des Lernens und zugleich als systematische Re-
flexion dieser Praxis zum Behuf ihrer Entwicklung und ihrer Vermittlung an neue Ge-
nerationen von Lehrern. Diese Reflexion kann sowohl allgemein geführt werden,
muss sich aber immer auch auf besondere Unterrichtsgegenstände ausgerichten,
d.h., ab einem bestimmten historischen Zeitpunkt an, auf Schulfächer. In dieser Form
sind Fachdidaktiken ein bereits klassisches Feld erzieherischer Reflexion und der
Lehrerbildung. Seit dreissig Jahren, im Gefolge der Schul- und Lehrerbildungsreform,
entwickeln sie sich auch zu eigenständigen wissenschaftlichen Disziplinen.
3. Unterrichtsforschung und – entwicklung und Fachdidaktiken
Fachdidaktiken im modernen Sinn sind immer konkrete historische Produkte, in de-
nen sich die Geschichte des Schulfaches und der Didaktik als Praxis und Reflexion
in einem bestimmten kulturellen Kontext widerspiegeln. Dies hat unter anderem zu-
folge, dass Fachdidaktiken immer zugleich Wissenschaften der Erforschung als auch
der Entwicklung von Unterricht sind, bezogen auf Unterrichtsgegenstände und auf
Schüler. Wissenschaft bedeutet dabei, dass Wissen systematisch und kontrollierbar
produziert wird.
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Parallelvorträge / Conférence plénières 16.00 – 17.15
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Wissenschaftliche Tätigkeit in Fachdidaktiken kann man sich als auf einer Achse mit
zwei Polen situiert vorstellen:
-
eingreifende Didaktik, mit hauptsächlich drei Methoden:
o
Erarbeitung didaktischer Modelle von Unterrichtsgegenständen
o
Erarbeitung didaktischer Sequenzen
o
Beobachtung und Analyse der Realisierung von Sequenzen und ihrer
Wirkungen auf Schüler
-
beschreibende und erklärende Didaktik, mit hauptsächlich vier Methoden
o
Geschichte der Schuldisziplin und der ihrer eigenen Unterrichtsprakti-
ken
o
Analyse der gegenwärtigen Organisation der Unterrichtsgegenstände in
der Schuldisziplin
o
Analyse der Konstruktion des Unterrichtsgegenstandes im konkreten
Unterricht
o
Analyse der Fähigkeiten der Schüler in bezug auf konkrete Unterrichts-
gegenstände mit Bezug auf Unterricht
Einige dieser Methoden werden im Vortrag illustriert werden.
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