Lange Zeit wurden in der Schule Lehrmittel und Unterrichtsmethoden nach der Plau-
sibilität ihrer Grundlagen beurteilt und eingesetzt. Seit einiger Zeit wird in den Erzie-
hungswissenschaften und in der Fachdidaktik die Forderung laut, Unterricht empi-
risch auf seine Wirksamkeit hin zu untersuchen. Für die Didaktik des Lesens ist ins-
besondere nach den dürftigen Schweizer PISA-Resultaten ein Handlungsbedarf ent-
standen, auf den das Zentrum Lesen der Pädagogischen Hochschule FHNW mit
dem empirisch orientierten Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Lese- und
Schreibkompetenzen fördern“ reagiert hat.
Im Zentrum dieser Studie steht die Frage nach der Wirksamkeit von zwei grundsätz-
lich verschiednen unterrichtsmethodischen Zugängen zum Lesen:
– einem offenen, schülerinnen- und schülerzentrierten und motivationsorientierten
Ansatz,
– einem kleinschrittig geführten Lesetraining.
Durchgeführt wurde die Interventionsstudie im Kanton Aargau mit Primarklassen im
3./4. und Realklassen im 7./8. Schuljahr.
Im Hinblick auf die Beratung von Lehrerinnen und Lehrern wäre der Nachweis deutli-
cher Wirkungen der einen oder anderen Methode oder allenfalls einer Methoden-
kombination hilfreich. Aus dem Forschungsprojekt gehen aber Ergebnisse hervor, die
zum Teil kontraintuitiv sind und die im Hinblick auf ihre Umsetzung in der Unter-
richtsentwicklung im Kontext verschiedener Bedingungen analysiert werden müssen:
im Zusammenhang mit den Unterrichtsstilen und insbesondere auch mit verschiede-
nen Unterrichtszielen.
Referat 5 (Andrea Bertschi-Kaufmann) berichtet und diskutiert die wichtigsten Ergeb-
nisse bezüglich der Wirksamkeit einer offenen, individualisierten Leseförderung, wel-
che auf die Anregung der Lesetätigkeit abzielt, im Vergleich mit einem angeleiteten
Training, mit welchem primär die kognitiven Prozesse im Umgang mit Texten verbes-
sert werden sollen.
Am Ende der Interventionsphase weisen die Resultate keine wesentlich verschiede-
nen Effekte der Methodenwahl auf der Primarstufe aus, zeigen aber bei den Real-
klassen deutliche Wirkungen bezüglich verschiedener Aspekte der Lesemotivation
sowie des Leseverhaltens. Diese Resultate sind im Einklang mit bekannten allge-
mein didaktischen Befunden zur Wirkung des offenen Unterrichts (z.B. Hanke 2005).
Zusätzlich zeichnete sich auch ein leichter positiver Effekt bezüglich der empathi-
schen Leseleistung ab. Ein Jahr nach Interventionsende sind allerdings kaum mehr
Interventionseffekte sichtbar. Leseförderung scheint also eine Daueraufgabe des
Deutschunterrichts zu sein.
Referat 6 (Hansjakob Schneider): Bezüglich der offenen Unterrichtsanlagen konnten
auf verschiedenen Ebenen sehr erfolgreiche und weniger erfolgreiche Sekundarklas-
sen ermittelt werden. Im Sinne der good practice wurden mit einer erfolgreichen und
einer weniger erfolgreichen Lehrperson mittels Strukturlegeverfahren die subjektiven
Theorien zur Wirkung des offenen Unterrichts rekonstruiert (Groeben/Scheele 2001).
Dieses Verfahren zeichnet sich durch die kommunikative Validierung aus: Die von
den Forschenden rekonstruierten subjektiven Theorien werden mit den Interviewten
zusammen nochmals überprüft.
Literatur
Bertschi-Kaufmann, Andrea (2009, in Vorbereitung): Vermittlung von Lesekompe-
tenz. Ergebnisse und Desiderata der empirischen Unterrichtsforschung. In: Ulrich,
Winfried (Hrsg.) (2009): Deutschunterricht in Theorie und Praxis (DTP), Band XII:
Lese- und Literaturunterricht II. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
Schneider, Hansjakob und Bertschi-Kaufmann, Andrea (2006): Entwicklung von Le-
sefähigkeit: Massnahmen – Messungen – Effekte. Ergebnisse und Konsequenzen
aus dem Forschungsprojekt „Lese- und Schreibkompetenzen fördern“. Schweize-
rische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 28. Jg., H. 3.
Hanke, Petra (2005): Öffnung des Unterrichts in der Grundschule. Münster: Wax-
mann
Groeben, Norbert; Scheele, Brigitte (2001): Dialogue-Hermeneutic method and the
„Research Program Subjective Theories“[9 paragraphs]. In: Qualitative Social Re-
search [On-line Journal] 2/1, Available:
http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/issue/view/28 [6.2.2009].
Moser, Urs; Tresch, Sarah (2003): Best Practice in der Schule – Von erfolgreichen
Lehrerinnen und Lehrern lernen. Buchs: Lehrmittelverlag des Kantons Aargau.
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